Wenn politisches Handeln als alternativlos bezeichnet wird, dann greift die Politik zu Notrecht oder spricht von einem Naturereignis. Wer löst eigentlich diese Naturgewalten aus, die immer öfter in unsere nationale Souveränität und letztlich in unsere direkte Demokratie eingreifen.
Eine Naturgewalt, die immer wieder ihr Unwesen in der Schweiz treibt, trägt den Namen OECD. Eine internationale Organisation mit Hauptsitz im Pariser Schloss La Muette mit rund 3'300 Mitarbeitern. Als Ziel verfolgt die OECD eine bessere Politik für ein besseres Leben: Wohlstand, Gerechtigkeit, Chancen und Lebensqualität. So weit, so gut, und deshalb ist die Schweiz seit 1961 als Gründungsmitglied bei der OECD dabei. Die Beschlüsse der OECD werden im Konsens getroffen, d.h. die Schweizer Delegation trägt die OECD-Beschlüsse stets mit.
Wir erinnern uns alle noch, als Bundesrat Hans-Rudolf Merz im 2008 verkündete, dass sich das Ausland am Bankkundengeheimnis die Zähne ausbeissen werde. Im 2009 und in der Folge des internationalen Drucks bekannte sich die Schweiz zu den OECD-Standards und machte auch Steuerhinterziehung amtshilfepflichtig. Der vorläufige Schlusspunkt stellte 2017 die Teilnahme der Schweiz am automatischen Informationsaustausch (AIA) dar.
Damit war das Bankkundengeheimnis für Ausländer Geschichte und der Schweizer Finanzplatz entsprechend geschwächt.
Nun stimmen die Stimmbürger am 18. Juni 2023 über die Umsetzung einer OECD-Mindeststeuer von 15 Prozent für multinationale Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro ab. Die vorliegende Steuerreform hat mit den anfänglichen Plänen der OECD nichts mehr gemeinsam. Ursprünglich wollte die OECD die Besteuerung von digitalen Firmen ohne Präsenz in einem Land regeln. Vor allem unter dem Druck der USA und den europäischen Hochsteuerländern sah man von dieser Regulierung ab und fokussierte sich auf die Eindämmung des ungeliebten Steuerwettbewerbs. Führt man sich zudem vor Augen, dass die OECD Unternehmenssteuern im 2010 noch als wachstumsschädlich bezeichnete, erstaunt die gegenwärtige Steuerreform umso mehr.
Die vorliegende OECD-Steuerreform ist eine kartellähnliche Steuerordnung im Dienste der grossen Markt- und Industriestaaten.
Diese knallharte Interessenpolitik der grossen Markt- und Industriestaaten ist alles andere als ein Naturereignis. Es ist ein Frontalangriff auf die Schweizer Wohlstandsgeschichte der letzten 50ig Jahre. In dieser Zeit haben wir es als kleine offene Volkswirtschaft mit geringen Ressourcen geschafft, die Nachteile eines Kleinstaates mit einer attraktiven Steuerpolitik, Sozialem Frieden, Sicherheit und einer verlässlichen und modernen Infrastruktur mehr als zu kompensieren.
Wenn wir unseren Wohlstand in unserem Land nun tatsächlich bewahren und weiterentwickeln möchten, sollten wir uns einerseits bewusst werden, dass die Steuereinnahmen von multinationalen Unternehmen keinem Naturgesetz unterliegen und andererseits der Austausch von Gütern, Dienstleistungen, Kapital, Personen und Ideen mit dem Ausland Pfeiler unseres wirtschaftlichen Erfolgs sind. Gerade deshalb gilt es die so wichtigen Beziehungen zu unseren europäischen Handelspartnern souverän und direktdemokratisch weiterzuentwickeln. Tun wir das nicht, werden wohl oder übel weitere Naturgewalten in unserem schönen Land wüten.
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